Schenkungen und Neuzugänge

In den vergangenen Jahren hat die Sammlung des Kunstmuseums St.Gallen durch bedeutende Schenkungen entscheidend an Substanz gewonnen, kann doch das Museum bis heute auf ein breites Umfeld engagierter Sammlerinnen und Sammler bauen. So vernetzt sich seit jeher internationale Kunst mit regionalem Schaffen. Ersteres bildet den kunsthistorischen Kontext, in den die Ostschweizer Kunst sinnstiftend eingebettet wird.

Leihgaben der Simon und Charlotte Frick-Stiftung

Im November 2014 wurde eine Reihe überaus prominenter Schweizer Kunstwerke aus der Sammlung von Simon und Charlotte Frick in die gleichnamige Stiftung übertragen und steht dem Kunstmuseum St. Gallen seither dauernd als Leihgabe zur Verfügung. Dieses grossartige mäzenatische Engagement verdichtet die bestehenden Werkgruppen von Schweizer Kunst der Jahrhundertwende in der Museumssammlung. Während der Ausstellungsdauer der Präsentation Es werde Licht... waren die Werke im Ostraum des Museums zu sehen.

Über Jahrzehnte hatten Simon und Charlotte Frick ihre private Kollektion von Meisterwerken der Schweizer Kunst zusammengetragen, die sie als Passion ihr Leben lang begleiteten. Wiederholt durfte auch das Kunstmuseum Gemälde aus der Sammlung ausleihen, u.a. 2009 in der Ausstellung 11:1 (+3) = Elf Sammlungen für ein Museum – Vom Impressionismus zur Gegenwart.

Die Werke umfassen wundervolle Landschaftsgemälde von Ferdinand Hodler, Giovanni Giacometti (1868–1933) oder Max Gubler (1898–1973), ein prächtiges Blumenstilleben von Cuno Amiet (1868–1961) sowie eindrückliche Figurendarstellungen von Hodler, Giacometti und Félix Vallotton (1865–1925).

Seit 1987 wacht ein tapferer Landsknecht von Ferdinand Hodler über die Besucherinnen und Besucher im Treppenaufgang zum Obergeschoss des Kunstmuseums St. Gallen. Der Schweizer Nationalkünstler Ferdinand Hodler (1853–1918) malte den Reigen wehrhafter Eidgenossen, welche die sechsundzwanzig Kantone der Schweiz symbolisieren, ursprünglich für die Aussenfassade des Kunstpavillons der Landesausstellung in Genf 1896.Landsknecht mit erhobenem Zweihänder (1895/96) ist in den Schaffhauser Farben gelb/schwarz gehalten und wurde dem Kunstmuseum St. Gallen 1987 grosszügig als Dauerleihgabe aus der Sammlung von Charlotte und Dr. Simon Frick zur permanenten Präsentation überlassen.

Dass die lebenslange Passion des Sammlerehepaares der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird, ist als glanzvolles Zeichen ihrer engen Verbundenheit mit dem Kunstmuseum St. Gallen und der St. Galler Bevölkerung zu verstehen. Erstmals werden ihre Meisterwerke nun vollumfänglich der Öffentlichkeit präsentiert.

1985 erwarben Simon und Charlotte Frick als abschliessendes Glanzlicht ihrer Sammlung an einer Auktion der renommierten Galerie Kornfeld in Bern das wunderbare Landschaftgemälde Thunersee mit Stockhornkette (um 1913) von Ferdiand Hodler.

Weitere Informationen zur Herkunft des Werkes finden Sie hier.

Neuzugänge

Im Bereich der internationalen Kunst werden herausragende Werke als bewusste Akzentsetzung zur Festigung des Sammlungsprofils sowie als Spurensicherung der eigenen Ausstellungstätigkeit erworben. Als aktuelle Neueingänge sind hier bedeutende Werke von Gerard Byrne (*1969) sowie von Alicja Kwade (*1979) zu nennen.

Mit seinem lakonischen Humor und seiner grundlegenden Infragestellung der Konstruktion von Bildern und Narrationen gilt der 1969 in Irland geborene Gerard Byrne als einer der bedeutendsten Foto-, Video- und Multimediakünstler der Gegenwart. Die Firma Senn Ressources AG schenkte dem Kunstmuseum die Schlüsselarbeit A man and a woman make love (2012) von Gerard Byrne, die während dessen Einzelausstellung im Oberlichtsaal gezeigt worden war, und erweiterte damit die substantielle Videosammlung, die sie seit Jahren breit fördert. Die spektakulär inszenierte Mehr-Kanal-Video-Installation war für die documenta (13) entstanden und gehörte zu den prägenden Werken der Ausstellung.

Kulturhistorische, philosophische sowie naturwissenschaftliche Referenzen finden sich in der künstlerischen Arbeit von Alicja Kwade wieder. Geringfügige wie vollständige Zustandsveränderungen von Materialien durchziehen das gesamte Werk und verweisen auf Themen wie Zeitlichkeit und Stillstand. In ihrer Werkserie Dienstag, 6. Januar 2015, 15:58:00 Uhr, Dienstag, 5. Mai 2015, 16:55:53 Uhr, Dienstag, 15. September 2015, 16:52:03 Uhr bilden Gold, Silber, Zinn, Nickel, Kupfer, Blei, Zink und Aluminium - Edel- und Industriemetalle - jeweils die ökonomische Realität eines bestimmten Zeitpunkts ab. An drei zufällig gewählten Tagen erwarb Kwade fünf Gramm Gold und ermittelte die preislichen Metalläquivalente. Der Handelswert der Materialien am Stichtag gab der minimalistischen Bodenarbeit ihre endgültige Dimension: acht gestapelte, rechtwinklige Metallplatten schliessen zuoberst mit einem Silberquader und einem Goldbarren die sich verjüngende Form ab.

Zeitgenössisches Ostschweizer Kunstschaffen

Traditionellerweise erwerben Stadt und Kanton St.Gallen aus der Ausstellung Heimspiel bedeutende Werke Ostschweizer Kunstschaffender für das Kunstmuseum St.Gallen. Damit kommt das Kunstmuseum seinem Auftrag, wichtige Künstler aus der Region mit bedeutenden Werkgruppen für die Sammlung zu sichern, nach.

Aus dem Heimspiel 2015 konnten, nachdem 2012 Arbeiten von Karin Schwarzbek (*1969), Kilian Rüthemann (*1979), Marcus Geiger (*1957) und Sebastian Stadler (*1988) in die Sammlung eingegangen sind, erneut herausragende Werke u.a. mit Mitteln des Lotteriefonds des Kantons St.Gallen für die Sammlung des Kunstmuseums erworben werden. So wurden dem Kunstmuseum eine Installation von Lutz & Guggisberg (*1968 / *1966), drei Wachsarbeiten von Loredana Sperini (*1970) und eine Skulptur von Kilian Rüthemann (*1979) für seine Sammlung gesichert. Als Schenkung des Künstlers fanden zudem sechs Acryl-Zeichnungen von William Lutz (*1949) und als Dauerleihgabe der Stadt St.Gallen ein Video von Theo Cowley (*1976) Eingang in die Museumssammlung.

In den Arbeiten von Loredana Sperini in den Medien Zeichnung, Malerei, Stickerei, Installation und Objekt spielen emotional besetzte Materialien – Spiegel, Glas, Textiles, Wachs – eine zentrale Rolle, die von der Künstlerin mit grosser Sensibilität eingesetzt werden. In ihrer umfassenden Werkgruppe (alle Untitled), aus der drei Arbeiten fürs Kunstmuseum St.Gallen erworben werden konnten, verbinden sich Pigment und das anfällige und ephemere Material Wachs mit dem beständigen Baustoff Zement zu abstrakten flächigen Bildern mit faszinierender Tiefe, die latent zwischen Farbwirkung und Materialstärke changiert.

Eingang in die Sammlung des Kunstmuseums fand auch Ohne Titel (Canopy), 2014, von Kilian Rüthemann. Im Heimspiel vereinten der in Bütschwil geborene Künstler und Fabio Marco Pirovino (*1979) zwei ihrer Arbeiten, ein Sofa und ein Bild, erstmals zu einer Installation. Die ideale Wohnzimmersituation mit Gemälde über dem Designersofa wurde in dieser Konstellation im Kunstkontext überspitzt und kontrastiert mit der musealen Situation einer Ausstellung. Beide Elemente bewegten sich zwischen dem Ideal echten Wohnens und der virtuellen Skizze. Während das Bild Pirovinos trotz gestischer Haptik lediglich der vergrösserte Druck eines «Gekritzels» war, liess sich das Sofa Rüthemanns als ein von Hand grob geschnitzter Schaumstoffblock entlarven.

Kilian Rüthemann setzt sich stets mit der gegebenen Situation eines Ausstellungsortes auseinander, untersucht dessen räumliche Qualitäten und greift durch präzise Interventionen ins vorhandene architektonische Gefüge ein.

Seit beinahe zwei Jahrzehnten arbeitet das Künstlerduo Lutz & Guggisberg an einem materiell überbordenden Werk, das sich beinahe allen tradierten Gattungen der Kunst bedient: Plastik, Installation, Malerei und Video, Performance-Theater und Musik. In Hervorbringungen vereinigen die Künstler, vor dem Hintergrund einer grossformatigen und bemalten Fotografie, eigentümliche Figuren zu einer Herde abstrakter, tierähnlicher Wesen. Die alltäglichen Materialien der gekonnt dilettantischen Objekte sind stets eindeutig und sichtbar, während ihre Form offen bleibt für eine Vielzahl von Assoziationen.

Schenkungen aus Nachlässen Ostschweizer Kunstschaffender

Mit einer grossartigen Schenkung von Walter Burger (1923-2010) erinnerte Maria Burger, die Gattin des Künstlers, an die enge Verbundenheit mit Kunstmuseum und Kunstverein. Die Werke bilden das Schaffen von Walter Burger umfassend ab und spannen den Bogen von den frühen Ölgemälden über die Skulpturen der 60er und 70er Jahre bis zu den späten Zeichnungen und Acrylbildern. Zusammen mit den Modellen und Zeichnungen, die das Kunstmuseum zusätzlich erwarb, erweitert die Schenkung den bestehenden Werkbestand zu einem substantiellen Sammlungsblock, so dass die 2011 stattgefundene Wechselausstellung „Walter Burger und Künstlerfreunde“ zum grossen Teil mit diesen Werken bestritten werden konnte.

Eine umfassende Werkgruppe von 28 Gemälden von Ella Bürgin (1883-1965) fand als Schenkung von Momino Schiess Eingang in die Sammlung. Aus dem Nachlass der Tochter des Künstlers durfte das Kunstmuseum zudem ein Konvolut von Gemälden, Zeichnungen und Druckgrafiken von August Wanner (1886-1970) entgegennehmen. Ida Kobel (*1924) schenkte im Nachgang zu grosszügig überlassenen Papierarbeiten von ihrer Hand ein grosses Konvolut aus dem Nachlass ihres Mannes Alfred Kobel (1925-2011), darunter insbesondere zahlreiche überraschend freie, unverstellte Skizzen, die bei regelmässigen Besuchen auf Sri Lanka entstanden sind. Aus dem Nachlass von Josef Eggler (1916-2009) durfte das Kunstmuseum zwei abstrakte Kompositionen nach Wahl von seiner Enkelin Nadine Jäger-Eggler entgegennehmen. Damit konnten die umfassenden und repräsentativen Konvolute von Ferdinand Gehr (1896-1996), Arthur Beyer (1904-1982), Martha Cunz (1876-1961), Hans Brühlmann (1878-1911) und weiteren St.Galler KünstlerInnen in den letzten Jahren bedeutend erweitert werden. Kürzlich wurden diese zudem durch ein reichhaltiges Konvolut von Dokumenten und Werken - Gemälden und Kohlezeichnungen - aus dem Nachlass von Max Oertli (1921-2007) als Schenkung der Geschwister Oertli ergänzt. Damit kann nicht nur die dichte Werkgruppe dieses bedeutenden Vertreters der Ostschweizer Nachkriegskunst substanziell ausgebaut, sondern zugleich sein Leben und Wirken dokumentiert werden.

Grenzüberschreitende Zusammenarbeit

Gemeinsame Erwerbung der bedeutenden Sammlung Rolf Ricke durch drei Museen: Kunstmuseum St.Gallen, Kunstmuseum Liechtenstein, Museum für Moderne Kunst Frankfurt

2005 widmete das Kunstmuseum St.Gallen der Sammlung Rolf Ricke eine Ausstellung und setzte sie in Bezug zu eigenen Beständen. «Sweet Temptations» nannte sich die eindrückliche Präsentation, eine Idealkollektion auf Zeit bzw. ein eigentliches «musée imaginaire». Und diesen süssen Verführungen konnten die Museumsverantwortlichen nicht widerstehen. Mit dem integralen Erwerb der kunsthistorisch bedeutenden Sammlung Rolf Ricke beschreiten das Kunstmuseum St.Gallen, das Kunstmuseum Liechtenstein und das Museum für Moderne Kunst (MMK) Frankfurt neue Wege und erproben innovative Modelle musealer Kooperationen. Die Sammlung Rolf Ricke spiegelt nicht nur eine persönliche Sicht auf entscheidende Entwicklungen in der Kunst der letzten dreissig Jahre, sie eröffnet den drei Partnermuseen zudem langfristig vielversprechende Perspektiven für die Zukunft.

Der Kölner Galerist Rolf Ricke zählt zu den Pionieren in der Vermittlung zeitgenössischer Kunst. Als einer der Ersten stellte er in den 1960er Jahren in Europa die amerikanische Minimal und Postminimal Art vor und begleitete das Schaffen von wegweisenden Künstlern wie Donald Judd (1928-1994), Richard Artschwager (*1923), Barry Le Va (*1941), Keith Sonnier (*1941) oder Richard Serra (*1939). Von Letzterem soll die Bemerkung stammen: «Wenn ich will, dass der Dom versetzt wird, macht das der Rolf.» 

Rolf Ricke war seiner Zeit stets weit voraus. So stellte er nicht nur die Grossen der jüngeren Kunstgeschichte aus, sondern förderte auch inzwischen beinahe in Vergessenheit geratene Künstler wie Bill Bollinger (1939-1988) oder Lee Lozano (1930-1999), deren Schaffen erst kürzlich wiederentdeckt wurde. Nie erlahmte sein Interesse an künstlerischen Entwicklungen. Ohne seinen Ansprüchen untreu zu werden, wandte er sich Neuem zu und förderte in den 1980/90er Jahren junge Kunstschaffende wie Cady Noland (*1956), Matthew McCaslin (*1957), Steven Parrino (1958-2005), Jessica Stockholder (*1959) oder Fabian Marcaccio (*1963). Seine eigene Sammlung mit bedeutenden Einzelwerken und umfangreichen Werkgruppen, insgesamt über 150 Gemälde, Skulpturen und Papierarbeiten «seiner» Künstler, dokumentiert eine sehr persönliche Sicht auf die Kunst. Die Sammlung ist von herausragender künstlerischer Qualität, und ihre Bedeutung liegt in den sich ergänzenden Werkgruppen, die ein dichtes Geflecht sinnstiftender Querbezüge eröffnen. Mit feinem Gespür und ohne auf gängige Trends zu äugen sah er künstlerische Entwicklungen voraus, erkannte früh kreatives Potential und engagierte sich für Kunstschaffende, die in der Folge zu den Grossen der neueren Kunstgeschichte zählen. Und so lotet seine Sammlung heute jene entscheidenden Mentalitätsräume aus, die die Kunst im Grunde bestimmen.

Dass die Sammlung Rolf Ricke integral erhalten bleibt, ist einem neuartigen Konzept und der einzigartigen Zusammenarbeit dreier Museen zu verdanken. Zugleich setzt diese glückliche Erwerbung ein dezidiertes Zeichen für die klassische Museumstätigkeit, für ein überlegtes Fokussieren auf die Notwendigkeiten einer Sammlung, indem trotz enger finanzieller Spielräume in partnerschaftlicher Zusammenarbeit eine private Kollektion für die Öffentlichkeit und damit für kommende Generationen erhalten bleibt.

2015 konnte das Kunstmuseum St.Gallen mit grosszügiger Unterstützung von Frau Alice Weber eine spezifische Gruppe von 52 Zeichnungen aus der ehemaligen Sammlung von Rolf Ricke erwerben, die passgenau die bestehenden Werkgruppen der Museumssammlung erweitern. Die Zeichnungen, als unmittelbarstes Zeichen eines Denkprozesses, sind gerade für die konzeptuelle amerikanische Kunst der 1960er und 1970er Jahre der Schlüssel zum Verständnis der ganzen Richtung, die einen eminenten Einfluss auf die Entwicklung der zeitgenössischen Kunst hatte. Vier Zeichnungen von Harriet Korman (*1947) spannen den Bogen ihrer Arbeit in den späten 1960er und frühen 1970er Jahren besonders schön auf. Es sind subtile Blätter, die im freien Rhythmus der graphischen Strukturen direkt zum Kern ihres Schaffens führen. Im Weiteren versammelt das Konvolut u.a. Zeichnungen von Dan Christensen (1942-2007), David Rabinowitch (*1943), Keith Sonnier (*1941) und Peter Young (*1940).