Provenienzforschung am Kunstmuseum St.Gallen

Auch die bleibende Sichtbarkeit von Gemälden selbst mit umstrittener Herkunft soll gewährleistet werden. Die Richtlinien der Washingtoner Konferenz von 1998 in Bezug auf Kunstwerke, die von den Nationalsozialisten konfisziert wurden, regeln international die Aufgaben und Pflichten der öffentlichen Museen im Zusammenhang mit geraubten Kunstwerken (Raubkunst). Das Kunstmuseum St. Gallen ist den Richtlinien des Washingtoner Abkommens wie jedes andere Museum in der Schweiz verpflichtet und setzt sich in diesem Sinne auch nachdrücklich für eine gerechte und faire Regelung der Ansprüche ein.

Zur Schenkung Dauberville / Nathan an das Kunstmuseum St.Gallen und das Kunstmuseum Basel 

Zur Herkunft des Gemäldes Thunersee mit Stockhornkette von Ferdinand Hodler 

Projekte

Provenienzforschung ist eine zeit- und ressourcenintensive Aufgabe. Mit Unterstützung des Bundesamts für Kultur, Bern (BAK), und des Lotteriefonds Kanton St.Gallen konnten in den vergangenen Jahren bereits mehrere Projekte erfolgreich durchgeführt werden. Das Kunstmuseum St.Gallen dankt Bund und Kanton für die kontinuierliche Hilfe und freut sich, diese Partnerschaft in der Provenienzforschung auch in Zukunft fortzuführen.

Laufende Projekte

Unter den Werken befinden sich auch 57 Gemälde; sie entstammen primär dem holländischen 17. Jahrhundert. Dieses 57 Positionen umfassende Werkkonvolut wird im Provenienzforschungsprojekt 2021/22 untersucht werden.

Die konservatorische und wissenschaftliche Aufarbeitung – Inventarisierung, Authentifikation, Objektkonservierung, Provenienzforschung – ist ebenso aufwendig wie dringlich und soll mit diesem ersten Forschungsprojekt konsequent an die Hand genommen werden. Folgeprojekte sind geplant.

Die Schenkung von Maria und Johannes Krüppel-Stärk stellt einen qualitativ und quantitativ bedeutenden Neubestand innerhalb der Sammlung des Kunstmuseums St.Gallen dar. Die Mehrzahl der Werke wurde in den Jahrzehnten nach Kriegsende aus dem deutschen Kunsthandel erworben. Es besteht daher zwingend Bedarf für eine gezielte Erforschung der Werkprovenienzen mit Fokus auf die kritische Zeit der NS-Herrschaft 1933–1945.

Werke der Ernst Schürpf-Stiftung im Kunstmuseum St.Gallen 

Forschungsprojekt 2021/2022

Der St. Galler Ernst Schürpf (1877–1939) war Leiter der 1912 gegründeten Textilfirma Ernst Schürpf, die Gardinen und Heimtextilien produzierte und handelte. Er vermachte dem Kunstmuseum St.Gallen testamentarisch eine Gruppe von Werken holländischer Meister aus dem 17. Jahrhundert sowie französischer Realisten aus dem 19. Jahrhundert, darunter Gemälde von Ostade, van der Werff und Millet.

Darüber hinaus veranlasste er die Gründung der Ernst Schürpf-Stiftung, die dem Kunstmuseum St. Gallen seit 1947 den Ankauf erstrangiger Malerei aus verschiedenen Epochen ermöglichte. Zu den Erwerbungen der Ernst Schürpf-Stiftung gehören u.a. Werke von Anker, Böcklin, Le Corbusier, Corinth, Courbet, Delacroix und Renoir, wobei Monets "Palazzo Contarini" und Liebermanns "Atelier des Künstlers am Brandenburger Tor" als Höhepunkte in der Sammlung des Kunstmuseums speziell hervorgehoben sind.

Der durch die Ernst Schürpf-Stiftung ins Kunstmuseum St.Gallen gelangte Werkbestand umfasst insgesamt 55 Objekte aus verschiedenen Epochen und reicht bis in die Gegenwart. Von den insgesamt 55 Werken, die sich dank der Ernst Schürpf-Stiftung im Kunstmuseum St.Gallen befinden, sind 24 vor 1945 entstanden und nach 1933 in die Sammlung gelangt. Diese Werke stehen im Fokus der geplanten Provenienzrecherchen im Rahmen des Forschungsprojekts zur Ernst Schürpf-Stiftung. Die Schenkungen der Ernst Schürpf-Stiftung, namentlich die hochkarätige Werkgruppe des französischen und deutschen Impressionismus, haben in der Sammlung des Kunstmuseums St.Gallen einen zentralen Stellenwert und gehören zum permanent ausgestellten Kernbestand. In Anbetracht ihrer Bedeutung für das Museum wie für die internationale Kunstgeschichte ist die Erforschung und Klärung der einzelnen Werkprovenienzen als ein vordringliches Desiderat einzustufen. 

Das Bundesamt für Kultur unterstützt das Projekt in den Jahren 2021/2022.

Abgeschlossene Projekte

Gemälde der Sammlung Maria und Johannes Krüppel-Stärk im Kunstmuseum St.Gallen

Die Sammlung von Maria und Johannes Krüppel-Stärk gelangte 2018 als Schenkung ins Kunstmuseum St.Gallen und stellt seit einen qualitativ und quantitativ bedeutenden Neubestand innerhalb der Sammlung des Kunstmuseums St.Gallen dar. Die Mehrzahl der Werke wurde in den Jahrzehnten nach Kriegsende aus dem deutschen Kunsthandel erworben. Es besteht daher zwingend Bedarf für eine gezielte Erforschung der Werkprovenienzen mit Fokus auf die kritische Zeit der NS-Herrschaft 1933–1945.wurde 2019/20 in der Ausstellung „Altmeister-Geschichten“ dem Publikum in einer konzentrierten Auswahl präsentiert.

Gesamthaft umfasst die Schenkung 1504 Werke alter Meister des 15. bis 17. Jahrhunderts, vornehmlich Papierarbeiten niederländischer und zum Teil altdeutscher Herkunft. Unter den Werken befinden sich auch eine Gruppe von Gemälden; sie entstammen primär dem holländischen 17. Jahrhundert. Dieses 57 Positionen umfassende Werkkonvolut konnte mit Unterstützung des Kantons St.Gallen 2021/23 hinsichtlich der Provenienz untersucht werden.

Die konservatorische und wissenschaftliche Aufarbeitung – Inventarisierung, Authentifikation, Objektkonservierung, Provenienzforschung – ist ebenso aufwendig wie dringlich und wurde mit diesem ersten Forschungsprojekt konsequent an die Hand genommen werden. Folgeprojekte zu weiteren Werkgruppen – Zeichnungen und Grafiken – sind geplant.

Downloads: Projektbericht | Fallbeispiele | Werkliste

Archivprojekt 2018–2020

Im Rahmen des vom Bundesamt für Kultur (BAK) geförderten «Archivprojekts» konnte das Kunstmuseum St.Gallen 2019–2020 die Forschungen zu den während der Zeit der NS-Herrschaft in St.Gallen eingelagerten Kunstsammlungen vornehmen.

In diesen Jahren wurden Kunstwerke aus deutschen, meist jüdischen Sammlungen in diverse Schweizer Museen verbracht. Dort als «unveräusserliche Leihgaben zu Ausstellungszwecken» deklariert, waren die Werke vor dem Zugriff der Nationalsozialisten geschützt.

In St.Gallen wurden, durch das persönliche Engagement des damaligen Stadtammanns Dr. Konrad Naegeli und durch die Vermittlung des deutsch-jüdischen Kunsthändlers Dr. Fritz Nathan, einzelne Werke sowie ganze Sammlungsbestände verschiedener Sammler aber auch Kunsthändler eingelagert. Die Menge der betroffenen Werke von mehr als 100 Positionen legte eine Fokussierung auf die beiden hauptsächlichen Konvolute nahe: die grossen Bestände der Sammlungen von Ilse und Robert Neumann sowie von Gertrud und Alfred Sommerguth. Dies sollte auch grundlegende Aussagen ermöglichen zur Abwicklung der Einlagerungs- und Rückzugsprozesse sowie darüber hinaus zu den Sammlerbiografien.

Bei den eingelagerten Werken handelte es sich um Arbeiten namhafter Künstler wie Cézanne, Corinth, Cranach d.Ä., Daumier, Friedrich, Hodler, Liebermann, Manet, Pissarro oder van Gogh. Bis auf wenige Ausnahmen wurden die in St.Gallen deponierten Werke spätestens nach Kriegsende abgezogen und veräussert, so dass sie heute weltweit verstreut sind. Ein umfangreicher Akten-Fundus aus dem Stadtarchiv St.Gallen sowie Dokumente aus weiteren Archiven ermöglichten detaillierte Recherchen zur Geschichte der in St.Gallen eingelagerten Werke. Die so zu Tage geförderten Erkenntnisse und weiterführenden Aufschlüsse sind nicht nur für die Geschichte des Kunstmuseums St.Gallen bedeutsam, sondern insbesondere für die nationale und internationale Provenienzforschung von erheblicher Relevanz.

Der Schlussbericht dokumentiert den Stand der Forschung bei Projektabschluss 2020.

Nachtrag 2023: Das «Archivprojekt» konnte auf Grundlage der in St.Gallen überlieferten Archivalien bis 2020 wichtiges Basiswissen zu den in St.Gallen eingelagerten Sammlungsbeständen zusammentragen. Die Forschung wird weitergeführt und vertieft: Ausgehend von den Grundlagen aus dem «Archivprojekt», soll das Folgeprojekt «Historische Rekonstruktion der Sammlung Neumann» erneut in Partnerschaft mit dem Bundesamt für Kultur (BAK) Entstehung, Bestand und Auflösung der Sammlung Neumann umfassend erforschen und dokumentieren. Die Sammlung Neumann steht exemplarisch für den Kulturgütertransfer verfolgter jüdischer Sammler aus dem Deutschen Reich – ein Phänomen, das die Schweiz ganz besonders betrifft. Die Darstellung dieser Sammlungsgeschichte trägt anschaulich zu Verständnis und Interpretation der «Fluchtgut»-Thematik bei. Weitere Informationen finden Sie hier (Verlinkung zum Kurzbeschrieb).

Das Kunstmuseum St.Gallen ist dankbar für Hinweise zu Sammlung und Biografie von Ilse und Robert Neumann, besonders auch zu einzelnen Werken und deren Identifikation. Für Fragen und Hinweise wenden Sie sich bitte an Samuel Reller (samuel.reller@remove-this.kunstmuseumsg.ch).

Downloads: Projektbericht | Werkliste

Sturzeneggersche Gemäldesammlung (Lotteriefondsprojekt)

In den Jahren 2017/2018 untersuchte das Kunstmuseum St.Gallen mit finanzieller Unterstützung durch das Bundesamt für Kultur (BAK) seine Bestände aus der Sturzeneggerschen Gemäldesammlung (vgl. «Abgeschlossene Projekte»).

Der Stickereiunternehmer Eduard Sturzenegger (1854–1932) übergab der Stadt St.Gallen 1926 eine umfassende Schenkung von Werken deutscher, österreichischer, französischer und schweizerischer Künstler mehrheitlich des 19. Jahrhunderts. Nach 1935 wurde dieser Bestand durch Verkäufe und Neuerwerbungen aus dem nationalen und internationalen Handel weitgehend umgestaltet.

Das Projekt untersuchte die Provenienzen der heute 148 Positionen umfassenden Sturzeneggerschen Gemäldesammlung im Kunstmuseum St.Gallen. Darunter sind bedeutende Hauptwerke der Sammlung von Feuerbach, Corot, Sisley oder Pissarro, die alle seit 1935 erworben worden waren. Der Forschungsstand zum Abschluss des Projekts 2018 wies für keines der Werke in dieser Sammlung Ungereimtheiten in der dokumentierten Herkunftsgeschichte auf. Dennoch kann bis zur Ermittlung einer vollständigen Besitzabfolge zwischen 1933 und dem Sammlungseingang eine problematische Herkunft nicht für alle Werke vollständig ausgeschlossen werden. Das Kunstmuseum St.Gallen hat daher ein Folgeprojekt in Kooperation mit dem Kantonalen Lotteriefonds zwischen 2018 und 2021 realisiert.

Diese Forschungen vertieften und erweiterten den Kenntnisstand zu den Provenienzen der Sturzeneggerschen Gemäldesammlung, die heute Teil der Sammlung des Kunstmuseums St.Gallen ist. Darüber hinaus fokussierte das Projekt die private Sammlungstätigkeit von Eduard Sturzenegger. Aufgrund überlieferter Dokumente, wie Originalrechnungen sowie einem umfangreichen Bildarchiv, konnten mehrere hundert Werke identifiziert und die Privatsammlung in Umfang und Charakteristik nachgezeichnet werden. Nur der kleinere Teil dieser Werke befindet sich heute in der öffentlichen Sammlung in St.Gallen. Die Kenntnisse aus dem vorliegenden Forschungsprojekt sind deshalb für die heutigen Eigentümer sowie für die nationale und internationale Forschung von Interesse.

Der hier veröffentlichte Bericht entspricht dem Forschungsstand 2021.

Downloads: Projektbericht zum Abschluss des Provenienzforschungsprojekts 2019–2021 | Fallbeispiele | Werkliste

Werke aus dem Nachlass Emma Lina Hendel

2019/2020 wurden die Werke der Schenkung Emma Lina Hendel in einem vom Bundesamt für Kultur (BAK) geförderten Projekt untersucht. Emma Lina Hendel, eine Grossnichte des St.Galler Stickereiunternehmers Eduard Sturzenegger (zu dessen Sammlung ein vom kantonalen Lotteriefonds gefördertes Projekt Anfang 2021 abgeschlossen wurde, vgl. «Laufende Projekte»), vermachte dem Kunstmuseum 1999 testamentarisch ein Konvolut von 40 Werken aus dem 19. Jahrhundert.

Die insgesamt 23 Ölbilder sowie 17 Zeichnungen und Druckgrafiken stammen nahezu alle aus der Hand französischer Künstler. Darunter befinden sich Werke berühmter Vertreter der Romantik, des Realismus und Impressionismus wie Corot, Daumier, Degas, Delacroix, Ingres, Monet, Renoir, Rodin und Sisley. Mit der Aufarbeitung der Provenienzen war bereits nach dem Eingang der Werke im Jahr 1999 begonnen worden, doch konnten sie damals nicht in angemessenem Umfang untersucht werden.

Mit Abschluss des Forschungsprojekts wurde diese Pendenz nun aufgearbeitet und vorerst abgeschlossen. Für keines der Werke wurden Hinweise auf eine problematische Herkunft ermittelt, und für 8 Werke konnte eine solche sogar gänzlich ausgeschlossen werden, darunter Monets Bras de Seine près de Vétheuil und Sisleys Printemps à Saint-Germain-en-Laye.

Der Projektbericht wurde im Herbst 2020 vom Bundesamt für Kultur genehmigt und wird in Absprache mit dem BAK auf der Webseite des Kunstmuseums St.Gallen veröffentlicht.

Downloads: Projektbericht zum Abschluss des Provenienzforschungsprojekts 2019/2020 | Fallbeispiele | Werkliste

Sturzeneggersche Gemäldesammlung (BAK-Projekt)

Die Unterstützung durch das Bundesamt für Kultur (BAK) erlaubte dem Kunstmuseum St.Gallen 2017 die Aufnahme der Provenienzforschung in einem klar definierten Bereich: dem Bestand der Sturzeneggerschen Gemäldesammlung. 2018 konnte das Projekt abgeschlossen werden und der Schlussbericht wurde vom BAK genehmigt.

Das Forschungsprojekt erbrachte für keines der untersuchen Werke ein konkretes Verdachtsmoment bezüglich der kritischen Jahre 1933–1945. Einige der berühmtesten Werke der Sammlung, darunter Alfred Sisleys Le Jardin, 1873, oder Anselm Feuerbachs Nanna, 1864/65, konnten hinsichtlich ihrer Provenienz vollständig geklärt und mit einer lückenlosen, unbedenklichen Besitzabfolge in der Zeit der NS-Herrschaft nachgewiesen werden. Der umfassende Schlussbericht ist in Absprache mit dem BAK auf der Homepage des Museums abrufbar.

Der hier veröffentlichte Bericht entspricht dem Forschungsstand 2018.

Downloads: Projektbericht zum Abschluss des Provenienzforschungsprojekts 2017/2018 | Fallbeispiele | Werkliste

Schweizerischer Arbeitskreis Provenienzforschung

Wissenschaftler*innen aller Sprachregionen der Schweiz aus den Bereichen Museen, Archive und Bibliotheken sowie von Hochschulen und aus dem Kunstmarkt haben sich statuarisch zu einem Verein zusammengeschlossen mit dem Ziel, sich über Provenienzforschung in der Schweiz auszutauschen und ihr Forschungswissen institutionenübergreifend auf nationaler und internationaler Ebene zu teilen.
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